Herr Jauch, Sie sind ein eingeborener Ängistirner Bauer. Wann haben Sie bemerkt, dass in Ihrer Gemeinde auswärtige Kletterer Routen einrichten?
A. Jauch: So was merkt man einfach. Und wollt ihr wissen wie? Am meisten an den Ameisen: Wenn die hindersten Oberschänkel der Ameisen feiss werden und sie mich anseichen und einen Schwefelduft ausströmen, dann treiben sich Auswärtige in der Gegend herum. Das war schon immer so.
Können Sie gewissermassen die Warnzeichen der Natur lesen?
A. Jauch: Ja, das war schon damals so, als Schmuggler aus dem Plattkopftal bei uns herumhatschten und uns Habarwurz und Tubak abluchsten. Mein Urätti hat immer gesagt: Den Weibern und dem Spiel zuliebe – wurd schon mancher brave Mann zum Diebe!
Hatten sie Bedenken, dass das Treiben der auswärtigen Kletterer eine Bedrohung für die Dorfschaft werden könnte?
A. Jauch: Bedenken nicht gerade, aber man hintersinnt sich schon hin und eppen in der heutigen Zeit. Die in Bern unten meinen ja immer, sie wüssten alles besser. Soll mir einer erklären, wie wir bei diesem Milchpreis noch überleben sollen?
Die Haupterschliesser der Gischterwäng sind ja auch aus Bern. Was sagen Sie zu Röfe Maler und Tinu Schwarz, mit denen Sie meines Wissens Bekanntschaft gemacht haben?
A. Jauch: Ja, der Röfe und der Tinu! Das sind gewiss keine unleidige Kerle. Und in der Zeit, da sie am Gischterwäng herumwärcheten, da genehmigten wir zusammen schon den einen oder anderen Schluck Änzeler. Ich war damals auch nicht weit, als dieses Geschehnis passierte, als ein grosser Brocken bis ins Dorf hinunterrollte. Ja värrecktä Chäib. Ob das Zufall oder Schicksal war? Jedenfalls hat es dort unten den Richtigen getroffen. Man darf schon sagen, auch unter den Unsrigen im Dorf sind eben nicht alles Unschuldslämmer.
So haben Sie also einen guten Draht zu den Kletterern?
A. Jauch: Solange sie meinem Veh nichts antun und nicht auf meinem Rollmax-Kehr parkieren, was soll man schon dagegen haben? Und das eine Mal, als ich am Bschütten war… aber da reden wir nicht mehr darüber. Selber schuld, wenn die Gülle jetzt halt an der Gischterwang klebt und vor sich hin müffelt. Ich hab immer gesagt, müssen die Unterländer ausgerechnet an dieser Balm herumturnen? Die könnten doch genauso an der Matschwang oder am Hohlkopf herumkrabbeln. Dort ennen stören sie niemanden und wenn sie so hohl sind und ins Ängiloch fallen, wird es auch niemand merken.
Was hat es mit dem Ängiloch auf sich? Ist dort einmal ein Unglück geschehen?
A. Jauch: Ja värrecktä Chäib, was heisst hier einmal? Aber das geht wirklich niemanden etwas an und schon gar nicht die Auswärtigen. Auch wir Ängistirner dürfen unsere Geheimnisse haben. (Pause) Gut, wie Sie wollen, die eine Geschichte hat sich ja schon weit herumgesprochen: Im Ängiloch hat einmal ein Senn gebadet, man hat ihn nie mehr gesehen. Erst viel später ist seiner Mutter, als sie Wasser holte an der Quelle, – hoppla – sein Kopf ins Becken gefallen.
Da können die Kletterer froh sein, liegt das Ängiloch nicht in unmittelbarer Nähe des Klettergebiets.
A. Jauch: Ja, den chäiben Kletterer ist jeder Mist zuzutrauen, wenn man gschout, wie die sich manchmal aufführen.
Sie sprechen das Verhalten der Kletterer an. Ist das denn wirklich so verwerflich? Es hat sich zum Beispiel herumgesprochen, dass Kletterer einmal durch Anzünden des Toilettenpapiers nach der Buschtoilette einen Brand ausgelöst hätten. Stimmt das?
A. Jauch: Die Städter haben einfach keine Ahnung, wie man sich auf dem Land aufführt. Dann meinen sie, sie müssen sich einmischen und bei uns hier oben Demonstrationen abhalten, um gegen irgend eppis zu schimpfen, von dem sie keine Ahnung haben. Und das Dümmste ist, sie nennen sich Naturschützer, dabei machen SIE alles kaputt.
Dann stimmt das also mit dem Brand? Oder reden Sie allgemein von Aktionen der Naturschützer gegen grössere Eingriffe in die Natur?
A. Jauch: Was für Eingriffe? Meinen Sie die Konzession für den harmlosen Tellerlilift? Das soll etwa ein Eingriff sein? Schtärne Siech, das ist ja zum Lachen. Eingriffe und Einmischung in unser Leben sind das und nichts weiter.
Sie wünschen sich also, dass sich Städter weniger in Ihre Angelegen einmischen würden. Das klingt nachvollziehbar. Und was sagen Sie dazu, dass man von verschiedenen Seiten immer wieder hört, ihr Bauern in Ängistirni seid ein bisschen rückständig?
A. Jauch: Von wegen rückständig. Die sollen einmal die Klappe halten die chrüüzdummen Balaarine und Besserwisser. Wir sind alles moderne Bauern. Gehen Sie nur gschouen! In unserer ganzen Gemeinde ist die Modernisierung gemacht.
Stall und Wohnraum sind auf jedem Hof getrennt. Schon wegen der Sauberkeit.
Auch verbrennen wir zum Heizen und Kochen schon lange keine Kuhfladen mehr, wenn Sie vielleicht das meinen.
Das ist beruhigend. Ein Bergdorf auf dem Weg in die Moderne. Doch zurück zum Klettern: Haben Sie selber schon versucht, eine Kletterroute an den Gischterwäng hochzusteigen?
A. Jauch: Huärä schtärnä värrecktä Cheib! Sind Sie noch bei Troscht? Ich habe jeden Tag gewiss genug zum Wärchen. Da bleibt keine Zeit zum Herumblääterle. Die Arbeit nimmt einem hier oben keiner ab.
Ihr habt doch auch eure Feiertage und Feste, wo ihr nicht den ganzen Tag am Arbeiten seid?
A. Jauch: Ja gut, die letschte Veehschau das war schon ein zünftigs Fäscht. Und da gab es zum Gschpass ein Tauziehen an den Gischterwäng. Da hat sogar Schwagers Jüngschte mitgemacht – mein Göttibueb, e süümässig starche Purscht – und ist dort um die Wette geturnt: Siebzähen Meter dreiufufzg ist er im dritten Anlauf die Wang hoch gekommen und war somit der fünft Beschte vom Dorf. Ja, die Jungen sollen ihren Gschpass haben, solange sie können.
Glückwunsch meinerseits. Ich sehe, Die Jauchs sind mit dem Kletter-Gen gesegnet. Das nächste Mal sind Sie dran.
A. Jauch: (lacht) Ja värrecktä Chäib, Sie sind ein Gschpässiger! Nehmen wir gscheiter noch den letzten Schluck Änzeler aus der Flasche und dann muss ich sowieso ummi zum Veh ga gschouen. Prost!
Prost! Und vielen Dank für das Gespräch.